Zu diesem Buch
Als Wegbereiter der modernen Massenkommunikation
erweist sich die Propagandaausstellung in europäischen Diktaturen in einer komparatistischen Analyse von bislang nicht publizierten Archivmaterialien. Die Arbeit versteht
sich als Grundlagenbeitrag zu einem interdisziplinären Diskurs, in dem nicht nur Aussagen zur Kunstpolitik, sondern ebenso Standpunkte aus dem Bereich der Geschichts-
und Sozialwissenschaften berücksichtigt werden. Beispielhaft an den Systemen des Nationalsozialismus, des italienischen Faschismus und des Stalinismus werden
Positionen zum Totalitarismus-Theorem, zur Modernisierungsdebatte und zum Konzept der "politischen Religion" einer kritischen Revision unterzogen.
Eine Gruppe von Fallstudien
zum Nationalsozialismus und zum italienischen Faschismus leitet den analytischen Teil der Arbeit ein. Jeweils bezogen auf die Leitmotive der "Revolution", des "neuen
Menschen", einer utopisch gefassten "neuen Ordnung" und "imperialen Größe" sowie eines absolut begriffenen "Gegenbildes" werden die deutschen und italienischen
Ausstellungsprojekte in einen direkten Vergleich gestellt.
Das Beispiel der Sowjetunion
ist hiervon abgehoben, da die ideologischen Differenzen, die Organisationsstrukturen und nicht zuletzt auch der anders geartete archivalische Materialbefund die unmittelbare
Konfrontation problematisch erscheinen lassen. Der Analyse werden jedoch auch hier Leitmotive paradigmatisch zugeordnet, um über die entstehenden Parallelismen
zumindest den Weg eines indirekten Vergleichs zu bahnen.
Unterschiede manifestieren sich
bereits auf der Ebene des institutionellen Rahmens. Während dieser im Nationalsozialismus und italienischen Faschismus durch einen sich zuspitzenden Wirrwarr
staatlicher und parteilicher Kompetenzen geprägt war, wandelten sich in der Sowjetunion Museen zu "Agitationsapparaten", die von mehreren Seiten kontrolliert wurden und
einem sich stetig radikalisierenden Veränderungsdruck unterlagen. Eine besondere Rolle spielte hierbei das Moskauer Revolutionsmuseum, das als sinnstiftende Instanz
eine quasi-religiöse Bedeutung in Anspruch nahm.
Das Fazit
Ein Systemvergleich ist zum Verständnis der Funktionsmechanismen der drei Regime und insbesondere auch des besonderen Stellenwerts der Propagandaausstellung
zwingend notwendig. Die Allgemeinheit der zu Mythologemen verklärten Leitmotive zeigt jedoch gleichzeitig, dass auch den Diktaturen scheinbar konträr
gegenüberstehende Systeme – wie die bürgerlichen Demokratien – in weitergehenden Untersuchungen in den Vergleich einbezogen werden
müssen. Das hier erstmals veröffentlichte Material über die Propagandaausstellung als Vorläufer der zeitgenössischen Massenmedien führt
zwar einerseits zu der Erkenntnis, dass von einer pauschalisierenden Gleichsetzung von Nationalsozialismus, Faschismus und Stalinismus abzusehen ist, andererseits jedoch
ähnlich operierende Strukturen herausgearbeitet werden können, die die Entwicklung des 20. Jahrhunderts wesentlich bestimmt haben. Dies lässt die Konzepte
von Fortschritt und Moderne insgesamt in einem anderen Licht erscheinen.
Der Inhalt
I. Einleitung [Methode und Inhalt der Arbeit; Forschungsbericht] · II. Faschismus und Nationalsozialismus: Wegbereiter der modernen
Massenkommunikation? [Der institutionelle Rahmen; Der Selbstentwurf der Systeme: Mythos einer revolutionären Erhebung; Der neue Mensch: Die Wiedergeburt des
"Ursprünglichen"; Leit- und Zerrbilder staatlicher Ordnung; Von der Anschauung zur Neuordnung der Welt; Feind- und Gegenbilder] · III. Die Vergesellschaftung
des Museums in der Sowjetunion der Stalinzeit [Das Museum als Triebwerk der Revolution; Individuum und Kollektiv: Der Held als sowjetisches Mythologem; Aufbruch ins
Maschinenzeitalter: Rationalismus, Amerikanismus und der Bau des Sowjetkommunismus; Das antireligiöse Museum: Die Austreibung der Seele;
Trophäensammlungen: Militarisierung und Mobilisierung der Massen] · IV. Schluss und Ausblick · Bibliographie · Anhang
[Originalfassungen der übersetzten Zitate; Abkürzungen; Abbildungen]