Zu diesem Buch
Albrecht von Stosch war von 1872 bis 1883 der erste Chef der Admiralität der nach der Gründung des Deutschen Reiches aufzubauenden ersten
gesamtdeutschen Marine. Sein "Flottengründungsplan" zielte – in Übereinstimmung mit Parlament, Regierung und Admiralität – auf den Aufbau
einer Marine "zweiten Ranges": Schutz der heimischen Küstengewässer im Kriegsfall, und in Friedenszeiten Schutz der deutschen Interessen im Ausland.
Voraussetzung hierfür war eine leistungsfähige heimische Schiffbau-, Rüstungs- und Marinezulieferindustrie, deren Aufbau v. Stosch vorantrieb: Es wurden
spezielle Planungsgruppen in der Admiralität eingerichtet, die bei der Qualitätssicherung sowie beim Know-how-Transfer mit den Schiffbauingenieuren der
Werftindustrie und der Handelsmarine zusammenarbeiteten. Dennoch blieb die ökonomische Basis des Flottenaufbaus schmal: Die Marine war als Ergänzung zum
Heer konzipiert, und ihr Etat musste vom Reichstag jährlich neu bewilligt werden.
Beim Auslandseinsatz kam es in den ersten Jahren von v. Stoschs Amtszeit zu erheblichen Differenzen zwischen der Marineführung und Bismarck, der den Bestand des
Reiches nicht durch eine aggressive Außenpolitik gefährden wollte. Die daraus resultierende Einengung der Handlungsfreiheit ihrer Kommandanten vor Ort wollte die
Admiralität nicht akzeptieren. Erst Mitte der 1870er Jahre konnte Bismarck durchsetzen, dass durch präzisierte Order an die Schiffsführer in der Zusammenarbeit
mit den Auslandsvertretungen des Deutschen Reiches deren Primat beachtet wurde. Dies war auch v. Stoschs Einsicht geschuldet, dass die kontinentale Stellung des Reiches
erst gefestigt werden musste – mit der Flotte stellte er dem Reichskanzler hierfür ein wirksames, nachdrücklich genutztes Instrument zur Verfügung.
Dirk Siegs Studie der bisher in wissenschaftlichen Veröffentlichungen nur gestreiften "Ära Stosch" zeichnet die Auseinandersetzungen zwischen Bismarck und
v. Stosch anhand verschiedener außenpolitischer Bereiche und zahlreicher Auslandseinsätze der Marine nach. Sie vermittelt so einen Einblick in das
außenpolitische Handeln Bismarcks wie auch in das Denken der Marineführung. Dadurch trägt sie zum Verständnis der politischen Grundlagen des sich
entwickelnden Kaiserreiches wie auch zu dessen Fortentwicklung unter Wilhelm II. bei.
Der Inhalt
1 Einleitung [Vorbemerkung; Die Ära Stosch in der historischen Forschung; Konzeption, Grundlagen und Zielsetzung der Arbeit; Quellen- und Archivlage; Albrecht
von Stosch – Eine einführende Skizze seines Lebensweges] · 2 Die Kaiserliche Marine – "dem Reiche unmittelbar unterstellt" [Die Berufung
Stoschs zum "Chef der Kaiserlichen Admiralität"; Die Position der Admiralität und ihres Chefs in der Reichsverfassung; Stoschs Marinekonzeption; Der Chef der
Admiralität, die Marine und der Reichskanzler (Die Admiralität als Arbeitgeber, Stoschs Marinepolitik im Reichstag, Das Hochverratsverfahren gegen Stosch, Die
"Kanzlerkrise" von 1877, Die "Katastrophe von Folkestone", Der Rücktritt Stoschs – das Ende einer Ära)] · 3 Die Marineführung und die
Außenpolitik Bismarcks [Die Marine als Mittel zur Intervention im Ausland; Die Gründung des deutschen Kaiserreiches: Außenpolitische Voraussetzungen
und Konsequenzen; Grundlagen für den Einsatz der Kaiserlichen Marine im Ausland; Ausgewählte Einsätze der Marine im Ausland (Erste Aktionen der
Kaiserlichen Marine im Ausland, Bismarck, die Marine und die Krisen um Spanien 1873-1875, Der Konsul-Mord in Saloniki – Die Marine als Druckmittel der Diplomaten bei
der Forderung nach "Genugtuung", Die Entsendung deutscher Kriegsschiffe nach Ägypten 1882)] · 4 Handelsverträge, Überseestationen und
koloniale Tendenzen in der Marineführung (ausgewählte Aspekte) [Vorbemerkung; Koloniale Gedanken in der Marineführung vor 1872; Kolonien und
Flottenstützpunkte als Kriegsentschädigung 1870/71; Handelsschutz, Handelsförderung und der "Flottengründungsplan" (1872/73); Der Begriff
"Flottenstation", Stationsgebiet und Kolonie; Handelsschutz und Flottenstationen im "ostasiatischen Stationsgebiet" (Die Suche nach einem handelspolitischen und
militärischen "Schlüssel", Das "Marine-Etablissement" in Amoy, Die "ANNA-Affäre" 1875/76, "Die Unterdrückung der Seeräuberei in den
Chinesischen Gewässern"); Koloniale Gedanken in der Kaiserlichen Marine (Koloniale Gedanken in der Marine Mitte der 1870er Jahre, Koloniale Gedanken in der
Kaiserlichen Marine zu Beginn der 1880er Jahre); Das Engagement der Kaiserlichen Marine in der Südsee (Der Freundschaftsvertrag mit Tonga, Der Freundschaftsvertrag
mit Samoa, Errichtung von weiteren "Kohlenstationen" im Pazifik); Der Abschluss des deutsch-koreanischen Handelsvertrages; Die Konzeption einer "Oberseebehörde"; Die
Entwicklung des "Hydrographischen Bureaus" der "Kaiserlichen Admiralität" und der Seewarte; Die Admiralität und Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung
(Der "Flottengründungsplan" und die Förderung der Industrie, Die Admiralität als "Schrittmacher der Schiffbauindustrie", Die Panzerplatten- und
Geschützherstellung als Beispiel für Industrieförderung, Die Marine als Werber für die heimische Industrie)] · 5 Zusammenfassende
Schlussbetrachtung · 6 Anhang [Abkürzungsverzeichnis; Bibliographie; Anlagen und Dokumente; Auszug aus den Auslandsaktivitäten der
Kaiserlichen Marine in der "Ära Stosch" 1872-1883]