Zu diesem Buch
70 Jahre nach dem Kriegsende muss festgestellt werden, dass die Beschäftigung mit der Rolle der Kriegsmarine und des Seekrieges in Gesamtdarstellungen des Zweiten
Weltkrieges eine eher marginale Rolle spielen, während es in speziellen Marinegeschichtsdarstellung umgekehrt an der Einordnung in einen breiteren Kontext mangelt.
Zugleich tritt der Krieg durch das Versterben der letzten Zeitzeugen langsam über in das kulturelle Gedächtnis und verliert nach und nach den persönlichen
Bezug. Der vorliegende Sammelband versteht sich als Bestandsaufnahme, zieht eine forschungsgeschichtliche Bilanz und macht es sich zum Ziel die wechselseitigen
Bezüge herauszuarbeiten und unter dem gegenwärtigen Verständnis neu zu bewerten. Die Beiträger untersuchen ein breites Spektrum an Themen,
wodurch der Band eine Vielzahl neuer Forschungsansätze, -ergebnisse oder -impulse bietet und zugleich die fruchtbare Basis für kommende Forschungen legt.
Nach einer Einleitung des Herausgebers zur nunmehr 70-jährigen Forschungsgeschichte stellt der erste Teil des Bandes unter der Überschrift Marine und Krieg
den angestrebten breiteren Kontext her. So werden etwa der Griff nach der Seemacht und das Scheitern dieses nationalsozialistischen Konzepts, das wechselseitige
Verhältnis zwischen Handelsschifffahrt und Kriegsmarine oder aber die Zäsur 1941 für die Kriegsmarine untersucht. Das zweite Kapitel widmet sich den
Operationen der Kriegsmarine und betrachtet den Kreuzerkrieg in Planung und Umsetzung, die Operation "Rheinübung" und den mit ihr verbundenen Mythos
Bismarck, die Operation "Cerberus" aus der Perspektive der beteiligten Teilstreitkräfte und Kriegsparteien sowie schließlich den U-Bootkrieg im Atlantik. Im dritten Teil
spielen Selbst- und Fremdbilder eine besondere Rolle – das Selbstverständnis der Flotte und Portraits verschiedener Persönlichkeiten wechseln sich ab mit der
Außenwahrnehmung der Marine und schaffen einen Bezug zu den jeweiligen Lebenswelten. Der vierte Teil widmet sich der Ausbildung, Erziehung und
Propaganda. Es werden die Ausbildung zum Marineoffizier und die Aneignung nationalsozialistischen Gedankenguts in der Kriegsmarine in den Kriegsjahren rekonstruiert. Ein
farbiger Bildteil veranschaulicht die Propaganda und das Soldatenbild der Kriegsmarine. Das Kriegsende wird im fünften Teil in Flensburg, dem Sitz der Regierung
Dönitz und in der Geltinger Bucht, Schauplatz des letzten Fahnenflüchtigenprozess, mitverfolgt. Abschließend werden sechstens die Nachwirkungen und
mit ihnen die Traumata der Marine und das Dilemma, die Vergangenheit zu deuten, diskutiert.
Umfangreiche Register zu Personen, Schiffen und Orten sowie eine Auswahlbibliographie schließen den Band und unterstreichen seinen Nutzen als Handbuch zur
Geschichte der Kriegsmarine.
Die Beiträge
Geleitwort zur Schriftenreihe
Stephan Huck
Einleitung
Marine und Krieg
Jost Dülffer
Deutschlands zweiter Griff nach der Seemacht. Das Scheitern eines nationalsozialistischen Konzepts
Stefan Kiekel
Auf gleichem Kurs? Neue Aspekte zum Verhältnis von Handelsschifffahrt und Kriegsmarine während des Zweiten Weltkrieges
Holger H. Herwig
Die Kriegsmarine und der Zweite Weltkrieg – Zäsur 1941
Operationen
Stephan Huck
"Die Nadel im Heuhaufen" oder der Kreuzerkrieg im Zweiten Weltkrieg
Andreas Mückusch
Die Operation "Rheinübung" und der Mythos BISMARCK
Rüdiger Schiel
"Cerberus", "Mandarine", "Donnerkeil" – Aspekte eines Wendepunktes
Hajo Neumann
Der U-Boot-Krieg im Atlantik 1942/43: Höhepunkt und Zusammenbruch
Lebenswelten
Lars Hellwinkel
Selbst- und Fremdbilder im besetzten Frankreich
Andre Pecher
Friedrich Oskar Ruge (1894–1985) – Von Kriegsbildern, Selbstbildern und Fremdbildern eines ungewöhnlich-gewöhnlichen Marineoffiziers
Dieter Hartwig
Ein Soldat im Banne des "Führers" jenseits der Wirklichkeit – die Lebenswelten des Karl Dönitz
Jörg Hillmann
Für die Kriegsmarine begann der Krieg erst am 03. September – Großadmiral Erich Raeder und seine Marine
Ausbildung, Erziehung und Propaganda
Christian Jentzsch
Die Ausbildung zum Marineoffizier während der Kriegsjahre 1939–1945
Armin Nolzen
Kriegsmarine, NSDAP und "wehrgeistige Führung" im Zweiten Weltkrieg
Thorsten Loch
Bilder der Kriegsmarine – Überlegungen zu den Soldatenbildern der Wehrmacht
Kriegsende
Herbert Kraus
Das Kriegsende in Flensburg
Hans Frank
Rudolf Petersen
Nachwirkungen
Michael Epkenhans
"Nachkriegswahrnehmungen" – Die Traumata der Marine und das Dilemma, die Vergangenheit zu deuten
Anhang
Literaturverzeichnis, Abkürzungsverzeichnis und Siglen, Personenregister, Schiffsregister, Geografi sches Register, Autorenverzeichnis, Abbildungen, Reihenverzeichnis