Zu diesem Buch
Die vorliegende Aufsatzsammlung ehrt – anlässlich seines 65. Geburtstags – den Bochumer Mediävisten Professor emeritus Dr. Franz-Josef
Schmale durch zwanzig Beiträge von Fachkollegen.
Sie umfasst thematische Beiträge zu Recht und Rechtsverständnis von Kirche und Staat im Mittelalter, zu den politischen Auseinandersetzungen der weltlichen
und kirchlichen Regenten und zur Geistes- und Sozialgeschichte von Reich und Kirche. Ebenso finden sich regionale Beiträge, die den gesamten west- und
mitteleuropäischen Raum abdecken: von England bis Perugia und Florenz, von Cluny bis Ostsachsen, von Altötting bis Xanten, und methodische
Beiträge mit editorischem, diskursorischem und analytischen Charakter.
Wilhelm Störmer (München) widmet sich der Gründungs- und Blütezeit des Pfalzstifts Altötting, das Regensburg zeitweise als Zentrum der
bayerischen Pfalzen verdrängte.
Gert Melville (München) weist am Beispiel von Cluny und seiner Kritik durch Girardus darauf hin, dass bei Reformen von Institutionen oft deren schon erfolgte
geistige Entleerung unberücksichtigt bleibt.
Hans Werner Goetz (Bochum) stellt anhand eines Vergleichs der Klosterchroniken von St. Gallen, Hirsau, Muri, Ebersheim, Petershausen, Ottobeuren und Weingarten die
Erwartungen der Mönche an ihre Äbte dar: Weltliche Leistungen standen im Vordergrund.
Horst Fuhrmann (München) weist in einer textkritischen Analyse dreier Marienwundererzählungen der Basler und Grazer Handschrift der Gregorvita Paul von
Bernried als Autor auch dieser Legenden nach.
Ludwig Hödl (Bochum) legt – in Vorbereitung einer Edition – erste Ergebnisse seines Nachweises vor, dass die bisher anonyme Quelle einer
umfangreichen "Quaestio disputata" zum Pastoralprivileg "Ad fructus uberes" Martins VI. Berthold von Saint-Denys zuzuschreiben ist.
Dieter Berg (Bochum) belegt anhand historiographischer Urteile über die englischen Monarchen, dass das Verhältnis der Monarchen zur Kirche ein
wesentliches Moment in deren Bemühungen war, ihren Herrschaftsanspruch innerhalb wie außerhalb ihres Herrschaftsbereiches zu legitimieren.
Hans-Jürgen Diller (Bochum) klärt mit einer bisher fehlenden Übersicht von Synodal- und Konzilsbeschlüssen aus dem 12. und 13. Jahrhundert,
dass die englische Amtskirche Spiel und Schauspiel nicht als prinzipielle Probleme behandelte, sondern unter dem Aspekt des Anstands und des sozialen Friedens beurteilte.
Friedrich Lotter (Göttingen) stellt am Beispiel der sich wandelnden Inhalte der wunderbaren Rettung zum Tode Verurteilter den Übergang der Kirche von der
Ablehnung zur Anerkennung der Todesstrafe dar.
Reinhold Kaiser (Essen) leitet aus zwei Wundererzählungen aus Nordfrankreich Anhaltspunkte für die Strafrechtspflege im hohen Mittelalter ab und markiert
ihre Stellung innerhalb der Prozessgeschichte ein.
Klaus Schreiner (Bielefeld) ordnet die die Absetzung des Gegenpapstes Gregor VIII begleitende Schandprozession im Jahre 1121 in die Tradition dieser
demütigenden Akte in Kirche, Recht, Politik, Geschichtsschreibung und Literatur ein. Er spannt dabei den Bogen von Kaiser Aurelian über Konstantin II., Barbarossas
Gemahlin Beatrix und die Reformation bis zur französischen Revolution und ins Spanien des beginnenden 19. Jahrhunderts.
Walter Brandmüller (Augsburg) legt den Wortlaut einer Instruktion der Signorie von Florenz für ihre Oratoren im Kardinalskollegium vom 7. Mai 1410 zur Wahl
Johannes XXIII. vor, welche die politischen Umstände dieser Wahl beleuchtet.
Heinz Stoob (Münster) analysiert den Einfluss des sächsischen Hochadels auf das salisch-deutsche Reich, dessen Zentrum sich unter dem Einfluss von
Gertrud in den thüringisch-ostsächsischen Raum verlagerte.
Egon Boshof (Passau) arbeitet die eigenständige kirchenpolitische Position Odo von Beauvais' gegenüber Hinkmar von Reims heraus, als dessen
willfähriges "Adjudat" er bisher angesehen wurde.
Odilo Engels (Köln) untersucht die Wandlung des Instituts der "politischen Kompaternalität" (Taufpatenschaft) im päpstlich-fränkischen
Bündnis und seine Unterscheidung vom byzantinischen Vorbild.
Dieter Scheler (Bochum) stellt die Charakterisierung der an der Viktorstracht von 1487 teilnehmenden Stiftsmitglieder durch Arnold Heymerick vor.
Heinz-Dieter Heimann (Bochum) legt mit der Analyse des Testaments Ruprechts III. den ersten Beitrag zu dem Versuch vor, durch die Analyse der Königs- und
Fürstentestamente des 14. Jahrhunderts die Lücken zwischen den Diplomata des Früh- und Hochmittelalters und den "politischen Testamenten" der
Frühneuzeit zu schließen.
Helmut G. Walther (Kiel) beleuchtet in einer Studie die historische Selbstdarstellung Perugias im Zusammenhang mit der Frage der Historisierung des römischen
Rechts durch Bartolus von Sassoferato.
Thomas Kraus (Aachen) macht erstmals den Wortlaut zweier Vereinbarungen zwischen der Stadt Aachen und König Ruprecht aus dem Stadtarchiv Aachen
zugänglich, die die Terminverschiebung des Einzugs Ruprechts in Aachen dokumentieren.
Albert Menne (Bochum) lenkt die Aufmerksamkeit auf den Mangel der Scholastik, die aristotelische Logik um die Kontraposition erweitert, aber die unreine Kontraposition
nicht beachtet zu haben.
Wolfgang Schmale (Wadersloh) zeigt anhand der Argumentation der Remonstranzen in den Auseinandersetzungen zwischen dem französischen Parlament und den
Monarchen im 18. Jahrhundert eine Entwicklungslinie des modernen politischen Konservativismus auf.
Die Beiträge
Friedrich Lotter
Heiliger und Gehenkter. Zur Todesstrafe in hagiographischen Episodenerzählungen des Mittelalters
Odilo Engels
Zum päpstlich-fränkischen Bündnis im 8. Jahrhundert
Egon Boshof
Odo von Beauvais, Hinkmar von Reims und die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen im westfränkischen Reich
Wilhelm Störmer
Die Anfänge des Pfalzstifts Altötting
Dieter Berg
Das Bild der englischen Monarchen und ihres Königtums in der anglonormannischen Historiographie des 11. Und 12. Jahrhunderts
Reinhold Kaiser
Verbrechen und Strafe in Nordfrankreich um 1100. Zwei Wundererzählungen der Äbte Guibert von Nogent (um 1125) und Hermann von Tournai (+ 1147/48)
Horst Fuhrmann
Zu den Marienwundern in der Vita Gregorii VII papae des Paul von Bernried
Heinz Stoob
Über den Schwerpunktwechsel in der niederdeutschen Adelsführung während des Kampfes gegen den salischen Herrscher
Hans-Werner Goetz
Das Bild des Abtes in alemannischen Klosterchroniken des Hohen Mittelalters
Klaus Schreiner
Gregor VIII., nackt auf einem Esel. Entehrende Entblößung und schandbares Reiten im Spiegel einer Miniatur der "Sächsischen Weltchronik"
Gert Melville
Die "Exhortatiunculae" des Girardus de Avernia an die Cluniazenser. Bilanz im Alltag einer Reformierungsphase
Albert Menne
Zur Kontraposition in der Scholastik
Ludwig Hödl
Berthold von Saint-Denys (+ 1307), ein weltgeistlicher Anwalt der Mendikanten in der Auseinandersetzung mit Heinrich von Gent
Hans-Jürgen Diller
Inter clericos et hystriones: Die Einstellung der mittelalterlichen Kirche Englands zu Spiel und Schauspiel
Heinz-Dieter Heimann
"Testament" – "Ordenung" – "Giffte under den Lebendigen". Bemerkungen zu Form und Funktion spätmittelalterlicher Königs- und
Fürstentestamente sowie Seelgerätsstiftungen
Helmut G. Walther
Der gelehrte Jurist und die Geschichte Roms. Der Traktat "De regimine civitatis" des Bartolus von Sassoferato als Zeugnis des städtischen Selbstbewußtseins
Perugias
Thomas Kraus
Zwei unbekannte Quellen zum Einzug König Ruprechts in Aachen im Jahre 1407
Walter Brandmüller
"Infeliciter electus fuit in Papam". Zur Wahl Johannes XXIII.
Dieter Scheler
Das Xantener Kapitel des 15. Jahrhunderts im Spiegel seiner Literatur und seiner Rechnungen
Wolfgang Schmale
Geschichte, Kontinuität und Wahrheit: Zum Problem der Legitimation von Politik im 18. Jahrhundert