Zu diesem Buch
Die Schwulenbewegung ist ein Stiefkind der Geschichtsschreibung
Noch mehr trifft das auf den nicht studentischen Teil der Schwulenbewegung zu, der kaum Beachtung findet. Florian Mildenberger hat das verfügbare Wissen
über den Verlauf der zweiten deutschen Schwulenbewegung in München gesichtet. Dazu stützt er sich wesentlich auch auf Interviews mit Zeitzeugen.
Pionierarbeit leistet seine Studie durch die Auswertung schwer zugänglicher Archivalien der Schwulenbewegung.
Die Rekonstruktion
der Geschichte der Münchner nicht studentischen Schwulenbewegung verwebt drei Ebenen: Die Diskussionen und Aktionen innerhalb der Bewegung, ihr Verhältnis zu
überregionalen Organisationen und die Auseinandersetzung mit staatlichen Institutionen.
Die innere Entwicklung
der Münchner Schwulenbewegung ist ein Weg zunehmender politischer Bewusstseins bildung. Oft waren es äußere Einflüsse, die einen
größeren Teil der Bewegung veranlassten, sich auf ein gemeinschaftliches Auftreten gegenüber der Öffentlichkeit zu verständigen. Die Schritte von
den ständigen Bemühungen, sich einen eigenen kulturellen Freiraum zu erhalten, bis zur organisierten Teilnahme an Stadtratswahlen waren von heftigen
Auseinandersetzungen geprägt. Auch heute noch ist die Präsenz im politischen Raum umstritten.
Eine Zusammenarbeit mit anderen Schwulenorganisationen
war in der Münchner Bewegung nur wenig institutionalisiert, da weder das Vorgehen des BVH, noch die Integrationsschiene des (L)SVD die lokal orientierte Münchner
Schwulenbewegung zu begeistern vermochten. Umgekehrt wurden die in München entwickelten Wege zur Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse auf
kommunaler Ebene bislang nicht aufgegriffen.
Die Auseinandersetzung mit Behörden
verschliss ein erhebliches Kräftepotential der Schwulenbewegung, war aber auch immer wieder Katalysator, die eigenen Anliegen öffentlich geltend zu machen.
Während die Reformen des § 175 zumindest formalrechtlich einer Reihe von Diskriminierungsmaßnahmen ein Ende setzte, wurden mit der Ausbreitung von
AIDS die Rufe nach staatlichen Eingriffen wieder laut. Die Münchner Bewegung hatte sich dabei besonders rigider Pläne zu erwehren, die deren Protagonist
Gauweiler aber nicht durchsetzen konnte.
So ist dieser Band auch ein Beitrag zur Münchner politischen und Sozialgeschichte sowie zur Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens.
Nicht nur Chronist
ist Florian Mildenberger, er bezieht auch Stellung zur Entwicklung der Münchner Schwulenbewegung. Mit seinen kritischen Reflexionen regt er dazu an, die immer
nur lokale Entwicklung schwulen Lebens auch andernorts aufzuzeichnen.
Der Inhalt
Vorwort · Einleitung · Die Situation der Homosexuellen in der Bundesrepublik · Die erste Phase der zweiten Schwulenbewegung in München
· Die erste Homosexuelle Aktions-Gemeinschaft (HAG) · Der Verein für sexuelle Gleichberechtigung (VSG) und die Teestube mit ihren Untergruppen
· Zwischen Toleranz und Reaktion: Der VSG 1978-1982 · AIDS · Die Schwulenbewegung und Peter Gauweiler · Die Schwulenbewegung nach
Gauweiler bis zum Ende des Jahrzehnts · Der Marsch durch die Institutionen · Schlusswort · Zeittafel zur Münchner Schwulenbewegung
· Verzeichnis der Abkürzungen · Literaturverzeichnis