Zu diesem Buch
Andreas Groh befreit den Begriff der Politischen Romantik von der Stigmatisierung durch Carl Schmitt, indem er auf der Grundlage einer Nachzeichnung und Einordnung
von Industrialisierungs- und Modernisierungsprozessen der Zeit zwischen 1790 und 1830 philosophische, politische, ökonomische und literarische Texte führender
Romantiker [Friedrich von Hardenberg (Novalis), Adam Müller, Franz von Baader, Friedrich Schlegel] analysiert. Er weist nach, dass die Politische Romantik kein bloß
ästhetisches Missbehagen an den durch die Frühindustrialisierung eingeleiteten gesellschaftlichen Wandlungsprozessen war, sondern eine kritische
Auseinandersetzung mit den Vorboten der Umwälzungen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.
Eines der wesentlichen Elemente dieser Kritik ist die Auseinandersetzung mit Manufakturen und dem ihnen eigenen Prinzip der Arbeitsteilung, das die Entfremdung im
Arbeitsprozess zur Folge hatte. Mehr noch: Das Eindringen des ökonomischen Geistes in alle Lebensbereiche unterwirft das gesamte menschliche Leben Effizienz- und
Rationalitätsstandards und lässt es daher verkümmern.
Bei aller Kritik wird das Neue aber auch als Anlass und Möglichkeit zur Überwindung des schlecht gewordenen Alten erkannt – das Ancien Régime gilt als
unbefriedigender und entarteter Zustand. Doch dem Neuen wohnt ein falscher Geist inne, dem die Politische Romantik ihre Gegenentwürfe vorhält. Und bei diesen
Versuchen einer Synthese aus Altem und Neuem im richtigen Geist handelt es sich weder um Ästhetik noch um eine rückwärtsgewandte Agrarideologie, sondern
um das Bestreben, die Einzelnen in die Gemeinschaft einzubinden, ohne ihnen ihre Individualität zu rauben.
Letzten Endes ist diese Kritik nicht wirkungsmächtig gewesen, und angesichts der realen ökonomischen Entwicklung hat sie die Vorstellung von der
Veränderung des Ganzen aufgegeben und sich ins private Idyll zurückgezogen – eine Position, die an die Kraft der eigenen Träume und Ideen nicht mehr
glaubte.
Dennoch bleibt der Politischen Romantik die Bedeutung, sich zu einer Zeit mit der beginnenden Moderne auseinandergesetzt zu haben, als diese erst in Umrissen erkennbar war.
Der Inhalt
I Einleitung [Gegenstand und Fragestellung; Methodische und theoretische Reflexionen; Gang der Untersuchung; Literatur und Quellen] · II Politische
Romantik – Begriff, Inhalt, Diskussion [Begriff und Inhalt (Romantik und Aufklärung, Politische Romantik – ein Chamäleon?, Carl Schmitt und die
ästhetische Interpretation – romantischer "Occasionalismus"); Philosophische Grundlagen politischer Romantik (Erkenntnistheorie und praktische Philosophie,
Schelling – Natur als Empirie und Spekulation: Das Organische); Merkmale politischer Romantik (Philosophische Merkmale, Politisch-gesellschaftliche Konstanten,
Ökonomische Ansichten politischer Romantik, Fazit); Führende Vertreter politischer Romantik (Friedrich von Hardenberg (Novalis), Adam Müller, Friedrich
Schlegel, Auseinandersetzung mit Kant und der Vertragstheorie, Ökonomische und soziale Fragen in der "Signatur des Zeitalters", Franz von Baader, Wirtschaft,
Wirtschaftsverfassung und Freiheitsproblematik, Eigentum und Eigentumsrecht, Soziale Frage und politisch-gesellschaftliche Krise, Baaders Lösungsversuche der sozialen
Frage, Fazit: Baaders Gesellschaftslehre – ein Torso?)] · III Die geistige Situation um 1800 [Vernachlässigung der geistigen Situation und Ziel dieses
Kapitels; Die Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre, Goethes Meister (Die Französische Revolution – politische Aspekte, Philosophie –
Rationalismus und Geist der Nützlichkeit, Bildung und ihr Ziel: Der Mensch als nützlicher Spezialist arbeitsteiliger Produktion oder ganzheitliche Persönlichkeit
einer organischen Gesellschaft?); Adam Smith und der "Wohlstand der Nationen" (Bildung und Persönlichkeit, Markt und Preise, Die negativen Systeme politischer
Ökonomie – Merkantilismus und Physiokratie)] · IV Industrialisierung und Modernisierung um 1800 [Industrialisierung (Begriff und Entwicklung,
Ursachen und Bedingungen der Industrialisierung, Die Industrialisierung als "Industrielle Revolution"?, Folgen und Auswirkungen); Modernisierung: Begriff, Merkmale, historische
Verortung (Modernisierung – Begriff und Charakter, Merkmale und Kennzeichen der Modernisierung, Historische Verortung der Modernisierung);
Frühindustrialisierung in Deutschland – Landwirtschaft und Gewerbe (Lage und Entwicklung der Landwirtschaft, Lage und Entwicklung des Gewerbes);
Transformation – Tradition und Moderne (Geistiger, gesellschaftlicher und politischer Aufbruch, Dynamik des Wandels und Auswirkungen auf das Fühlen und
Denken, Wirkungen des Wandels und Kritik am Beispiel der Eigentumsverhältnisse); Die Jahrhundertwende um 1800 – Vorabend großer Umwälzungen]
· V Die Kritik Friedrich von Hardenbergs (Novalis) an der beginnenden Moderne: Glauben und Liebe [Fragestellung, Quellen und Literatur; Philosophische und
poetische Grundlagen (Der eigene Weg von der Philosophie zur Poesie, Philosophische Grundlagen, Poetische Grundlagen, Poesie contra Ökonomie – die
Auseinandersetzung mit "Wilhelm Meister", Zusammenfassung); Philistertum, Bastard-Handelsgeist und falsches Besitzstreben (Die Existenz des Philisters, Die "Oeconomie"
– Sphäre des Bösen?, Die Technik – der Gegner des reaktionären Romantikers?, Die entfremdete Natur – das Gegenbild des Romantikers,
Wissenschaft und Abfall vom Glauben – das entfremdete Zeitalter); Der eigene Entwurf: Glauben, Liebe, Poesie (Der romantische Lebensentwurf: ein Anti-Philister,
"Schöne, liberale Oeconomie": Prosaisches und Poetisches, Natur und Geist: Von der Entfremdung zur Vereinigung, Natur und Geschichte: Vom Wachsen und Werden, Die
Poesie: Der Weg ins goldene Zeitalter, Liebe, Ehe und Familie: Der zusammengesetzte Mensch, Glauben und Religion: Wissen allein genügt nicht, Bildung: Wie wird man
ein Dichter?); Die Synthese: Eine romantisierte Welt (Ablehnung von reinem Rationalismus und "Evangelium der Oeconomie", Erlösung durch Poetisierung: Der "ächte
Geist"); Von Luft und Liebe? – Kritik des Novalis’schen Weltentwurfs] · VI Adam Müllers Kritik an den Vorboten von Industrialisierung und
Modernisierung sowie sein entgegengesetzter Gesellschafts- und Wirtschaftsentwurf [Quellenlage, Forschungsstand und Fragestellung; Müllers staats- und
wirtschaftstheoretische Wurzeln (Die "englischen Wurzeln" – Smith und Burke, Die "romantischen" Wurzeln, Die Entwicklung: Vom Gegensatz zur theologischen
Grundlage); Industrie und Entfremdung – die rationale Gegenfolie des Müller’schen Denkens (Kritische Wahrnehmung industriellen Wandels, Kritische
Elemente in Müllers Wirtschaftstheorie, Zusammenfassung); Elemente einer organischen Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie (Allgemeine (philosophisch-
anthropologische) Grundlagen, Wirtschaftstheoretische Grundlagen, Entwurf einer Wirtschaftsordnung); Die "theologische Grundlage der Kugel" oder die Synthese von Alt und
Neu (Die "freiwillige Unterwerfung", Glauben, Liebe, harmonische Ganzheit, Das Bild der Kugel); Kritische Würdigung (Kritik an Industrialisierung und Modernisierung,
Verbindung von Tradition und Moderne im eigenen Entwurf, Eine romantische Gesellschafts- und Wirtschaftslehre?, Die Auseinandersetzung mit der Zeit, Kritik von Müllers
Gesellschaftsentwurf – eine "rückwärtsgewandte Vision"?)] · VII Epilog – die grüne Insel als Zuflucht des Romantikers? [Sinn und
Zweck dieses Epilogs; Die Epoche als Übergangsperiode und das triadische Geschichtsmodell; Der Schluß der "Epigonen" und das Verhältnis von alter und
neuer Zeit] · VIII Schlußbetrachtungen · IX Abkürzungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis [Abkürzungen für Zeitschriften;
Quellen (Franz von Baader, Adam Müller: Sammelbände, Adam Müller: Einzelschriften, Friedrich von Hardenberg (Novalis), Friedrich Schlegel, Achim von
Arnim, Edmund Burke, Joseph von Eichendorff, Johann Gottlieb Fichte, Johann Wolfgang von Goethe, E.T.A. Hoffmann, Karl Leberecht Immermann, Karl Marx und Friedrich
Engels, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Friedrich Schiller, Adam Smith, Jonathan Swift); Literatur]