Zu diesem Buch
Die Beiträge dieses Sammelbandes, in dem die "Jugendfrage" in historisch-pädagogischer Perspektive epochenübergreifend beleuchtet wird, geben einen
detaillierten und anschaulichen Einblick in die Lebens- und Arbeitswelten von Jugendlichen in einer der ältesten Industrieregionen Deutschlands.
Anders als in den meisten Studien zur historischen Jugendforschung üblich, sind die untersuchten sozialen Gruppierungen nicht auf die großstädtischen und
männlichen Jugendlichen begrenzt. Es wird vielmehr in einer ausgewogenen Zusammenschau gleichermaßen auf die bürgerliche wie auf die proletarische
Jugend beiderlei Geschlechts und auf Organisationen von Jugendlichen des hochindustriellen Ballungsraums eingegangen.
Die zentrale Frage des Buches lautet, ob und inwiefern Jugendliche unter den sozioökonomischen Bedingungen des Industriezeitalters und unter fünf
politischen Systemen daran gehindert wurden, ihr Leben weitestgehend autonom, zumindest aber auf der Grundlage eigener (auch politischer) Anschauungen und
Ansprüche gestalten zu können. Zwischen Selbst- und Fremdbestimmung – das ist das übergeordnete Thema, das in allen Beiträgen
angesprochen und durch plastische Schilderungen der konkreten Lebens- und Arbeitswelten beschrieben sowie durch sozialgeschichtliche Analysen erläutert wird.
Als regionalgeschichtliche Studien eröffnen die Beiträge einen facettenreichen Blick auf wesentliche sozial- und mentalitätsgeschichtliche
Entwicklungsprozesse des 19. und 20. Jahrhunderts, die im Rahmen traditioneller landesgeschichtlicher Forschungsansätze eher vernachlässigt worden sind. Dabei
ist es den Autorinnen und Autoren gelungen, ein differenziertes und sehr anschauliches Bild von den Veränderungen der Daseinsbedingungen Jugendlicher in einem der
bedeutendsten Industriegebiete Deutschlands zu zeichnen. Insofern stellt der vorliegende Sammelband zugleich einen wichtigen Beitrag zur deutschen Sozial-, Wirtschafts- und
Mentalitätsgeschichte bis in die frühe bundesrepublikanische Ära hinein dar.
Die Beiträge
Ute Lange, Manfred Wahle
Historische Jugendforschung und Regionalgeschichte. Einleitende Bemerkungen
Peter Dudek
Von der "Entdeckung der Jugend" zur "Geschichte der Jugend"
Volkmar Wittmütz
Zwischen Schule und Fabrik. Das Dilemma der Kinder und Jugendlichen im Wuppertal 1800 bis 1850
Derek S. Linton
Zur sozialdemokratischen Jugendbewegung im rechtsrheinischen Industriegebiet während des Kaiserreichs
Manfred Wahle
Katholische Jünglings- und Lehrlingsvereine im Wuppertal des Kaiserreichs
Sylvia Rahn
Ziele, Inhalte, Methoden und Erfolge der Arbeit von evangelischen Mädchenvereinen in Barmen um 1900. Ein Beitrag zur "Annäherung der Gesellschaftsklassen"?
Ute Lange
Die obligatorische Fortbildungsschule für Mädchen im Wuppertal (1888-1920): Von Ideen über Auseinandersetzungen bis zur Errichtung
Jürgen Reulecke
"Die Welt ist seitdem nicht mehr dieselbe für mich gewesen". Die Anfänge des Wandervogels im Wuppertal vor dem Ersten Weltkrieg
Karl Düsseldorff
Kindheit und Jugend 1929-1939 in Wuppertal: Persönliche Eindrücke und Rückblicke von Walter Scherf
Stefan Stracke
Kommunistische Jugend im Wuppertal 1916-1933
Dieter Nelles
Die anarchistische Jugend im Wuppertal 1929-1945
Heide Behrens-Cobet
Aus der "Hochschule des Proletariats". Die Essener SDAJ und die Bildungsbemühungen ihrer Mitglieder
Alfons Kenkmann
Jugendliche "Arbeitsbummelanten" und die Akteure der sozialen Kontrolle gegen Ende des "Dritten Reichs" und während der Besatzungszeit