Zu diesem Buch
Geographie und Geschichte haben seit der verhängnisvollen Rolle politisch ambitionierter Geopolitik zur Zeit des Dritten Reiches bis heute kein einfaches Verhältnis
zueinander gefunden, auch wenn sie sich sehr ähnlichen, wenn nicht gleichen Fragestellungen widmeten. Eine solche Frage ist diejenige nach dem Wirkungsbereich des
mittelalterlichen Königtums, die das vorliegende Buch erstmals als eine historisch-geographische begreift. Anhand eines gut recherchierten Beispiels aus der
traditionsreichen Itinerar- bzw. Reichsstrukturforschung demonstriert der Verfasser die Möglichkeit und Leistungsfähigkeit eines solchen Herangehens. Vor allem mit
den seit den 20er Jahren entwickelten Methoden der Kulturraum- und Zentralitätsforschung finden sich für Oliver Hermann die geeigneten Ansatzpunkte, um
ursprünglich geographische Betrachtungsweisen gewinnbringend zu integrieren.
Zahlreiche Karten dienen daher nicht nur als illustrierende Text-Beigabe, sondern sind eigenständige Forschungsmittel zu den Aufenthalten, Handlungsbezügen und
personalen Einzugsbereichen des lotharischen Königtums. Erstmals werden darüber hinaus sämtliche Aufenthalte der Kaiserzeit (919-1197) in einer neuen
Auszählung kartographisch zusammengefasst und mit natur- und siedlungsgeographischen Gegebenheiten des mitteleuropäischen Raumes kombiniert. Die so
entstandenen immer maßstabsgleichen Karten vermitteln einen anschaulichen Eindruck von Stärke und Reichweite königlichen Handelns im Hochmittelalter
abseits bzw. in Ergänzung traditioneller Raumeinteilungen nach Stämmen oder "politischen Regionen".
Detaillierte Vorstudien und Anhänge widmen sich verschiedenen Spezialproblemen, die im Zusammenhang mit der Frage nach dem Wirkungsbereich Lothars III. zu
klären waren. Dazu gehören allgemeinere Themen wie eine zweckmäßige Raumeinteilung des Reiches, die Problematik der königlichen Reisewege
und Verkehrsräume und der Reisegeschwindigkeiten, die Frage nach den Königsstraßen sowie den Wasser- und Landwegen. Im Anhang finden sich des
weiteren zahlreiche statistische Übersichten und Belegsammlungen zu den Aufenthalten, Versammlungen, Hof- und Festtagen, Geschwindigkeiten und Personen.
Lothar III., so lautet das sachliche Ergebnis der Studie, hat das Reich in den untersuchten Aspekten keinesfalls einheitlich erfasst. Er war nicht – wie noch F.-J. Schmale
(1968) und in seinem Gefolge auch W. Petke (1984) meinten – im Norden und Süden Deutschlands "gleichermaßen gegenwärtig". Eine relativ
uneingeschränkte und regelmäßige Einflussnahme erfolgte nur im Norden, ausgehend von den beiden nördlichen Kernräumen am Harz und am
südlichen Niederrhein. Im Süden, an Oberrhein und Donau, ergibt sich hingegen ein durchaus gegenteiliger Eindruck: Eingeschränktheit und
Unregelmäßigkeit beherrschen das Bild. Die zentralen Gebiete an Rhein und Main erschienen demgegenüber zeitweise akut gefährdet, und als sie endlich
befriedet und der östliche intensiver in den königlichen Machtbereich einbezogen waren, da fehlte dem mit anderen Aufgaben beschäftigten Kaiser die Zeit, um
sie als integrierende Reichsmitte fungieren zu lassen.
Der Inhalt
1. Einleitung [1.1 Forschungsstand und Problemstellung; 1.2 Vorgehensweise und Gliederung der Arbeit; 1.3 Quellensituation und Statistik/Kartographie] · 2.
Vorstudien [2.1 Kerngebiete königlicher Aufenthaltsnahme (10.-12. Jahrhundert); 2.2 Reisewege und Verkehrsräume des Königtums; 2.3
Reisegeschwindigkeiten] · 3. Das Itinerar Lothars III. [1125-1136] · 4. König Lothar III. und sein Wirkungsbereich · [4.1 Der Norden
(Harzumland, Niederrhein-Maas, Andere Räume: Niederelbe, Ruhr-Lippe, Nördlicher Niederrhein); 4.2 Die Mitte (Rhein-Main: Main-Regnitz, Andere Räume:
Mosel, Rhein-Mosel, Fulda-Werra, Thüringer Wald); 4.3 Der Süden (Oberrhein, Donau)] · 5. Zusammenfassung und Ausblick · 6.
Anhang [6.1 Analysen zu Kapitel 2.2; 6.2 Übersichten; 6.3 Quellen- und Literaturverzeichnis; 6.4 Verzeichnis der Karten und Tafeln] · 7. Personen- und
Ortsregister