Zu diesem Buch
Auf dem Weg in die Moderne kommt den Ständen gerade in Norddeutschland eine erhebliche Bedeutung zu. Das Herzogtum Lauenburg war bis zu seiner Integration in den
preußischen Staat ein ständisch geprägtes Land. Die landständischen Privilegien waren unter den Askaniern in der "Union der Ritter- und Landschaft" von
1585 festgeschrieben worden und blieben – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bis zum Ende des 19. Jahrhunderts grundsätzlich gültig. Der
Absolutismus hatte deshalb im Lauenburgischen keine Chance. Die rechtlichen Verhältnisse im Lande erwiesen sich andererseits am Ende als anachronistisch; der
Anschluß an Preußen (1876) war daher mit einem ungeheuren Modernisierungsschub verbunden.
Die Ständeforschung hatte und hat ihren Schwerpunkt in der Frühen Neuzeit – die Entstehung der Stände im Spätmittelalter stand bisher nur
ausnahmsweise im Mittelpunkt des Interesses. Deshalb wurden in diesem Band andere Akzente gesetzt. So stehen am Anfang Beiträge über die Ausbildung der
Stände während des Spätmittelalters in Mecklenburg (Uwe Heck), in Lauenburg (Jörg Meyn) und im Fürstentum Lüneburg
(Brigitte Streich). Jörg Hillmann und Katrin Grunwaldt konzentrieren sich auf die "klassische" Phase der ständischen Libertät, zeigen dabei
auch den Weg hin zu dieser Periode auf.
Für Mecklenburg steckt die Ständeforschung noch in den Anfängen. Elke Krügener macht in ihrem Bericht über das "Landständische
Archiv" deutlich, dass die Quellenlage für weitere Untersuchungen außergewöhnlich gut ist.
Die Stände hatten ihren Einfluss nicht nur in einigen norddeutschen Territorien behalten; auch in Schweden blieben sie ein wichtiger Faktor der Politik, wie Michael
Busch zeigt. Dass sich die ständische Verfassung Mecklenburgs nach 1871 nicht mehr mit den Prinzipien in Einklang bringen ließ, die der Reichsverfassung
zugrunde lagen, war Gegenstand mehrerer Debatten im Reichstag; geändert hat sich bei den Verhältnissen in Schwerin und Strelitz nichts. Diese bis zum Ende des
Ersten Weltkriegs geführten Debatten hat Anke John untersucht.
Dem Modell des Ständestaates wurde auch nach dem Ende der Monarchie in Deutschland und Österreich Sympathie entgegengebracht. Die Forderung nach einer
Ständerepräsentation mit gewissen Akzenten einer politischen Mitbestimmung wurde zum Gegenmodell zur Parteiendemokratie erhoben. Im Mittelpunkt des letzten
Beitrags von Manfred Hanisch steht daher die Bedeutung dieser Diskussion für die politische Kultur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Beiträge
Uwe Heck
Probleme der Geschichte mittelalterlicher Stände und das Beispiel Mecklenburg
Jörg Meyn
Landesherr und Ritterschaft im Herzogtum Sachsen-Lauenburg im Spätmittelalter
Jörg Hillmann
Der Landesreformprozeß in Sachsen-Lauenburg im 16. und 17. Jahrhundert
Elke Krügener
Das Archiv der Landstände im Landeshauptarchiv in Schwerin
Brigitte Streich
Die landständische Entwicklung im Fürstentum Lüneburg im 15. und 16. Jahrhundert
Katrin Grunwaldt
Die ständische Vertretung in Schleswig-Holstein bis ins 17. Jahrhundert
Michael Busch
Von der Stände- zur Nationalrepräsentation. Die Schwedische Reichstagsordnung von 1865/66 und ihre Entstehung
Anke John
Stände oder Volksvertretung? Der mecklenburgische Verfassungsstreit im Urteil der Reichsleitung und des Bundesrates 1867/71 bis 1918
Manfred Hanisch
Konservativismus und Ständerepräsentation im 20. Jahrhundert