Zu diesem Buch
Die Geschichte des Nationalsozialismus ist und war kein bevorzugtes Thema der Regionalgeschichte in Schleswig-Holstein. Spät begannen die Bemühungen, sich
intensiv mit den Ereignissen der Jahre von 1933 bis 1945 auseinanderzusetzen und dabei auch die Vorgeschichte mit einzubeziehen.
1992 erst wurde das "Institut für Regional- und Zeitgeschichte" (IGRG) gegründet, von dem Impulse auch für die Forschung in der Region ausgehen sollen und
müssen, wie Michael Ruck im ersten Beitrag des Bandes darlegt. Beleuchtet wird die Arbeit des IGRG, seine grundsätzlichen Aufgaben und Perspektiven.
Manfred Hanisch geht der Frage nach, was der einfache Mensch in Ratzeburg über das Dritte Reich erfahren konnte. "So ziemlich alles", lautet das
überraschende Ergebnis seiner Analyse der "Lauenburgischen Zeitung", die zugleich eine Auseinandersetzung mit der NS-Pressepolitik ist. Mit seinem Durchgang durch die
Ereignisse der Jahre 1933 bis 1939 bietet der Aufsatz auch ein Stück Kulturgeschichte. Da er der Feder eines begabten Didaktikers entstammt, sei er den Geschichtslehrern
besonders ans Herz gelegt.
Dass Mölln die "braune Hauptstadt des Kreises Herzogtum Lauenburg" war, hatten bereits ältere Forschungen ergeben. Wie sich dieser "Aufstieg" zugetragen hat,
geht aus der von Karl Behrendts verfassten Chronik der Möllner NSDAP-Ortsgruppe hervor, die Christian Lopau vorstellt. Behrendts, Möllner Lehrer und
Schriftsteller, war als "Völkischer" sehr früh zu der Partei Hitlers gestoßen und trug als "alter Kämpfer" das "Goldene Parteiabzeichen".
Es gehört zu den lieb gewonnenen Klischees, dass der Nationalsozialismus "in der Provinz" nur als Echo von draußen wahrgenommen worden sei. Dass davon nicht
die Rede sein kann, zeigt Heinz Bohlmann mit seiner Skizze der politischen und rassistischen Verfolgung von Bürgern des Kreises, mit der die Beiträge zur NS-
Geschichte im Lauenburgischen einen Abschluss finden.
Die nachfolgenden Aufsätze sind "Blicke über den Zaun"; sie behandeln Phänomene, die sich zwar auch im Landkreis Herzogtum Lauenburg aufdecken
ließen, jedoch bisher noch keine Bearbeitung gefunden haben.
Mario Niemann untersucht das Verhältnis der mecklenburgischen Großgrundbesitzer zum Nationalsozialismus während der dreißiger Jahre und
gewährt dabei zugleich Einblicke in die Situation der Geschichtsforschung auf diesem Feld vor und nach 1990. Anhand von ausgewählten Beispielen werden die
wirtschaftlichen und politischen Interessen der Gutsbesitzer dargestellt. Ihre Haltung zum NS-Regime war keineswegs einheitlich.
Sehr konkrete Ergebnisse liefert Nils Köhler zur Zwangsarbeiterproblematik für den Regierungsbezirk Lüneburg. Gleichzeitig ist seine Untersuchung eine
Art Paradigma für vergleichbare Forschungen in anderen Regionen.
Stephanie Abke widmet sich den Abläufen und Folgen denunziatorischen Handelns – einem Phänomen totalitärer Regime und besonders der Zeit
des Nationalsozialismus. Die Ergebnisse ihrer Analyse stützen sich auf Quellen aus dem Regierungsbezirk Stade. Historische Daten aus anderen Gebieten könnten
und sollten genauso behandelt werden, sodass auch diesem Aufsatz – neben seinem unmittelbaren Informationswert – beispielgebende Bedeutung zukommt.
Der Band schließt mit Jörg Hillmanns kritischer Auseinandersetzung mit Großadmiral Karl Dönitz, der im Amt des Reichspräsidenten als
letzter Repräsentant des nationalsozialistischen Deutschlands fungierte. Er steht in besonderer Weise für die Geschichte des Nationalsozialismus im Großen
– auf Reichsebene – wie auch als Lauenburger im Kleinen – im Kreis Herzogtum Lauenburg.
Die Beiträge
Michael Ruck
Historische Forschung zum Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein: Das Institut für Regional- und Zeitgeschichte (IZRG) in Schleswig. Bestandsaufnahme und
Perspektiven
Manfred Hanisch
Alltag in der Provinz. Lauenburg im Dritten Reich 1933-1939
Christian Lopau
Die "Geschichte der Ortsgruppe Mölln i. Lbg." Eine bislang unbekannte Quelle zu den Anfängen des Nationalsozialismus in Mölln
Heinz Bohlmann
Politische und Rassistische Verfolgung im Kreis Herzogtum Lauenburg 1933 bis 1945
Mario Niemann
Zwischen Demokratie und Diktatur. Die Haltung der mecklenburgischen Großgrundbesitzer zur Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus
Nils Köhler
Der ‚Reichseinsatz' in der Heide. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter im Regierungsbezirk Lüneburg 1939-1945
Stephanie Abke
"Wie ich gesprächsweise in Erfahrung gebracht habe". Überlegungen zu Gerüchten, Anzeigen und Denunziation in einer ländlichen Region in
Nordwestdeutschland
Jörg Hillmann
Die letzte "Reichsregierung" in Flensburg-Mürwik. Karl Dönitz und das Ende des "Dritten Reiches" im Mai 1945