Zu diesem Buch
Bis heute ist der Begriff La Grande Nation als Synonym für Frankreich bekannt und erfreut sich – vor allem in deutschsprachigen Massenmedien –
einer häufigen Verwendung, wenn auch oft in pejorativer Form. Angeblich 1794 von Napoleon zum ersten Mal verwendet, galt der Begriff bislang als Instrument seiner Politik
und als seine Erfindung.
In dem vorliegendenden Band untersucht Barbara de Vries mit den Methoden der historischen Semantik die Genese dieses berühmten Begriffs. Neben der "Nation"
und dem "Mythos" stehen bei ihrer Definition vor allem die sogenannten idées-images im Vordergrund – wirkungsmächtige Ideenbilder für die
Konstrukte nationaler Identität. Die Autorin stützt sich bei ihrer sowohl synchron als auch diachron angelegten Diskursanalyse auf die Auswertung eines breiten
Quellenkorpus: französische Schulbücher der Fächer Histoire und Éducation morale et civique, aber auch politische und historiographische
Texte vom Ende des 19. bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts. Der Petit Lavisse, der Cours Gauthier et Deschamps oder der Cours Malet-Isaac
beispielsweise gelten als 'Klassiker' unter den Geschichtsschulbüchern und werden auf ihr Konzept der Größe der französischen Nation untersucht. Ferner
wird anhand der Schulbücher und geschichtlichen Diskurse des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts und auch mithilfe bedeutender Reden der
französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy oder François Hollande das Selbstbild Frankreichs herausgearbeitet.
Die vorliegende Studie revidiert die lange geläufige Forschungsmeinung, dass der Begriff La Grande Nation entweder von Napoleon stamme oder gar
ursprünglich aus Deutschland komme. Die Ergebnisse legen dar, dass die Vorstellung von der Größe der Nation fest im kollektiven französischen
Gedächtnis verankert ist und bis heute Gültigkeit besitzt.
Abgerundet wird der Band durch ein französisches Resümee, ein ausführliches Literaturverzeichnis, Abstracts in deutscher und englischer Sprache und einen
Bildteil.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung · 1 Problemstellungen, Leitfragen, Theorien · 2 Forschungsgeschichte und Forschungsstände: Themen, Theorien und
Methoden · 2.1 La Grande Nation– ein veraltetes Modell? · 2.2 ,Nation' und ,Mythos' und kein Ende? · 2.3 Begriffsgeschichte als
Methode · 3 Standortbestimmungen: Strategien, Semantiken, Narrative · 3.1 Begriffsgenese von La Grande Nation · 3.2 Printmedien
als Quellen · 3.3 Französische Schulgeschichtsbücher · 3.4 Auf den begrifflichen Spuren von La Grande Nation · 3.5 Die
Semantiken und ihre Horizonte · 3.6 Die Bedeutung von idées-images für Konstrukte nationaler Identität · 3.7 Schule als
Staatsangelegenheit · 4 Der Mythos lebt! "Vive La Grande Nation !" · 4.1 Nation als "Schicksalsgemeinschaft ohne Nebengötter":
Beispiele politisch-historiographischer Diskurse (1828–1916) [4.1.1 François Guizot (1787–1874): "La France marche à la tête de la civilisation
européenne."; 4.1.2 Jules Michelet (1798–1874): "La France supérieure, comme dogme et comme légende."; 4.1.3 Ernest Renan (1823–1893):
"Qu’est-ce qu’une nation ?" · 4.2 Die Größe der Nation als Unterrichtsziel: Beispiele schulischer Diskurse aus Schulbuchklassikern
(1877–1966) [4.2.1 G. Bruno, alias Mme Fouillée (1877): Le tour de la France par deux enfants.; 4.2.2 Der Petit Lavisse (1884–1959); 4.2.3 Der
Cours Gauthier et Deschamps (1904–1947); 4.2.4 Der Cours Malet (1902–1914); 4.2.5 Der Cours Malet-Isaac (1923–1966) ·
4.3 Die Größe der Nation als Unterrichtsziel: Beispiele schulischer Diskurse aus Schulbüchern des Faches Éducation morale et civique
(1893–1977) · 4.4 Konklusion zum Selbstbild der französischen Nation in den untersuchten Schulbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts ·
5 Der Mythos ist tot? "Vive la France !" · 5.1 Die Entwicklung eines kritischen Geistes als Unterrichtsziel: Beispiele geschichtlicher Diskurse in
Schulbüchern des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts [5.1.1 Neue/neueste Geschichtsschulbücher des Typs Histoire-Géographie; 5.1.2
Neue/neueste Schulbücher des Typs Éducation civique et morale] · 5.2 Politische Diskurse im 21. Jahrhundert in "flashlights" [5.2.1 "La nouvelle
question française." (Revue de Deux Mondes, April 2006); 5.2.2 "De Gaulle, Sarkozy, le style et l’homme." (Le Monde, 22. März 2008); 5.2.3 Offenstadt,
Nicolas (2011): "Brauchen wir ein ,Haus der Geschichte Frankreichs'? Oder die Rückkehr der nationalen Meistererzählung."] · 6 Fazit und Ausblick
· 7 Résumé en français · 8 Bibliographie · 8.1 Primärliteratur [8.1.1 Schulbücher Histoire und Histoire-
Géographie; 8.1.2 Schulbücher Éducation morale et civique; 8.1.3 Sonstige Schulbücher; 8.1.4 Historiographische Werke; 8.1.5 Zeitungen und
Zeitschriften; 8.1.6 Sonstige] · 8.2 Sekundärliteratur [8.2.1 Monographien und Aufsätze; 8.2.2 Lexika, Enzyklopädien, Handbücher; 8.2.3 Internet]
· 9 Anhang · 9.1 Abstract (English) · 9.2 Abstract (Deutsch) · 9.3 Abbildungen [9.3.1 Villier (1789): "Nouveau Plan
d’Éducation"; 9.3.2 Kupferstich (1790): "Le triomphe des patriotes."; 9.3.3 Provinzial Correspondenz (17.08.1870): "Frankreichs Größe und Verfall"; 9.3.4
"La grant monarchie de France" (1519) von Claude de Seyssel; 9.3.5 "La Grande Chancelerie de France" (1710) von Abraham Tesserau; 9.3.6 Einband von Le Petit
Lavisse (1914); 9.3.7 Einband von Ducoudray, Gustave (1891); 9.3.8 Napoléon bei Austerlitz in klassischer Feldherrenpose; 9.3.9 Vercingétorix als Nationalheld in
klassischer Kriegerpose; 9.3.10 Postkarte: "La France est notre patrie."; 9.3.11 General Gallieni als "Übermittler" französischer Kultur in Tonkin; 9.3.12 General
Gallieni als "Übermittler" französischer Kultur in Madagaskar; 9.3.13 General Gallieni als Verteidiger von Paris 1914] ·
Reihenverzeichnis